Serie
mit Dr. Matthias Gräber (I): Was ist Chiropraktik? mehr...
Serie mit Dr. Matthias Gräber (II): Wie läuft eine Chiropraktische
Behandlung ab? mehr...
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Wie kommt es zu
Blockaden?
Das Wort Blockade ist für meine Verhältnisse
etwas unglücklich gewählt, da es oft zu Missverständnissen
führt. Unter Blockade versteht
man, dass sich ein Gelenk, welches sich normalerweise
in einem bestimmten Bereich bewegen
kann, eine Bewegungseinschränkung
aufweist. Das wäre z.B., wenn man seinen
Arm, den man normalerweise auch ganz gerade
machen kann, plötzlich nicht mehr strecken
kann. Eine solche Bewegungseinschränkung
kann durch einen Sturz oder eine Verletzung
entstehen, weil dadurch eine Schwellung
des umliegenden Gewebes auftritt.
Das Gleiche kann auch an der Wirbelsäule
passieren, denn auch hier bewegen sich zwei
Wirbelkörper normalerweise in definierte Richtungen
gegeneinander. Es sind zwar nur kleine
Bewegungen, aber diese Bewegungen sind
für unseren Körper, weil es sich um eine Kettenreaktion
zwischen den einzelnen Wirbelkörpern
handelt, ganz entscheidend. Wenn
man von einer Blockade oder von einem
„Wirbel-raus" spricht, führt dies häufig zu
Missverständnissen und man assoziiert damit,
dass ein Knochen nicht mehr an der Position
ist wo er hingehört. Wenn dies der Fall wäre,
wären die Symptome dramatisch. Ein Wirbeltier,
bei dem ein Wirbel nicht mehr an dem Platz
sitzt wo er hingehört, ist normalerweise nicht
mehr bewegungsfähig, oft sogar nicht mehr
lebensfähig. Die Probleme über die wir hier
sprechen, spielen sich in viel kleinerem Rahmen
ab, hier geht es, wie schon erwähnt, um Beweglichkeit,
die eigentlich vorhanden sein
sollte und aufgrund von Muskel- und Sehnenverspannungen
nicht mehr vorhanden ist. Auch
andere Situationen wie Reiterfehler, Sattelprobleme,
Geburt, Haltungsmängel, Hufbeschlag
oder Gebissfehler können zu Blockaden führen.
Einer der häufigsten Gründe für Bewegungseinschränkungen
und Blockaden sind aber
schmerzhafte Prozesse in anderen Bereichen.
Sie entstehen durch sogenannte Kompensationen.
Das heißt, eine Schmerzhaftigkeit in einem
anderen Bereich wird durch eine gewisse
Schonhaltung ausgeglichen. Das kennt man
auch von sich selbst, bei Schmerzen im Fuß
läuft man automatisch etwas schräg und versucht
die Schmerzen zu entlasten. Dieses
„schräg laufen" bewirkt im Laufe der Zeit,
dass sich die Muskeln und Bänder an anderen
Stellen verkürzen und selbst wenn der Schmerz
dann irgendwann weg ist, bleibt diese „Fehlstellung"
erhalten. Das wiederum führt dazu,
dass andere Bereiche überlastet und vom Körper
dann auch wieder stabilisiert werden.
Diese, im ersten Moment positive Stabilisierung,
führt aber im weiteren Verlauf dann wieder
zu einer Versteifung und zu einer neuen Blockade
oder Bewegungseinschränkung. Das
bedeutet aber im Umkehrschluss auch, dass
wenn ich eine Blockade löse, dies möglicherweise
zum Aufdecken einer echten Lahmheit
führt. Dieser Umstand macht aber auch klar,
dass erst das Beheben aller Blockaden im
Körper, eine normale Bewegung wieder möglich
macht und Folgeblockaden vermieden
werden können.
Es gibt natürlich keine festgeschriebenen Regeln,
wann eine chiropraktische Behandlung
einem Pferd helfen kann, aber die folgende
Aufstellung sollte helfen, dem Pferdebesitzer
die Augen für diesen Problemkreis zu öffnen.
Ganz allgemein kann man sagen bei:
• Schmerz
• Muskelverspannung und Verlust von
Beweglichkeit
• Rittigkeitsprobleme
• Leistungsverschlechterung
• Taktfehler
• unklare Lahmheiten
• plötzlich auftretende Häufung von
Verweigerungen einer Übung
• Haltungsanomalien, z.B. Beckenschiefstand
• Berührungsempfindlichkeit
• Kopf- oder Schweifschlagen
• Lokales Juckreiz oder Schwitzen
Chiropraktik
und die Inneren
Organe
Eines vorweg: Bei jeder inneren Problematik
sollte als erstes ein Tierarzt aufgesucht werden,
der das Pferd gründlich untersucht, eventuell
ein Blutbild oder Röntgenaufnahmen anfertigt
und das Pferd entsprechend behandelt. Die
chiropraktische Behandlung sollte hier mehr
eine Ergänzung oder eine Alternative bei Therapieversagen
darstellen.
Es ist ein besonders interessanter und überraschender
Aspekt, dass man mit Chiropraktik
auch das sogenannte vegetative Nervensystem,
also die inneren Organe beeinflussen kann.
Der Grund hierfür ist, dass aus dem Rückenmark
nicht nur Nerven für die Muskelbewegung
und die Sensorik entspringen, sondern auch
ein eigenes Nervensystem, welches für die
Steuerung unserer Organe zuständig ist.
Hier gibt es zwei Hauptstränge. Der „Sympathikus”
ist ein Nervenstrang, der bei Reizung
ein Organ zu verstärkter Funktion anregt. So
kann z.B. die Herzfunktion verstärkt werden,
Schweißdrüsen aktiviert oder die Haare aufgestellt
werden, wenn das sympathische Nervensystem
angeregt wird.
Auf der anderen Seite, führt die Reizung des
„Parasympthikus” zu einer Verlangsamung
dieser Organe. So wirken diese beiden Systeme
wie Gas und Bremse im Auto und nur das
optimale Zusammenspiel lässt eine sichere
und gesunde Fahrt zu. Wenn nun an einer bestimmten
Stelle der Wirbelsäule durch eine
Fehlstellung auf die Nervenausgänge gedrückt
wird, kann es zu einer dauerhaften Reizung
eines dieser Nervensysteme kommen. Dadurch
wird dann eben ein Organ in seiner Funktion
dauerhaft angeregt oder gedrosselt. Beides
führt zu einem abnormalen Verhalten dieses
Organs mit dramatischen Folgen für den gesamten
Körper.
Bringt man nun wieder normale Bewegung
an die betroffene Stelle, verändert sich auch
der Informationsfluss und eine Heilung kann
einsetzten. Solche z.T. spontanen Reaktionen
im Körper lassen sich oft bei einer Chiropraktischen
Behandlung beobachten und man
kann dadurch auch gut das Feedback des
Körpers auf die Behandlung erkennen. Das ist
auch der Grund, warum man für eine effektive
Behandlung möglichst auf eine Sedierung
verzichten sollte, da man sonst diese positive
Reaktionen des Körpers unterdrückt.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass
man ergänzend zu den oben angeführten
Punkten auch bei folgenden Symptomen eine
Heilung mit Chiropraktik versuchen kann:
• Häufig wiederkehrende Koliken
• Dauerrosse oder Ausbleiben von Rosse
• chronische Verstopfung/Durchfall
• chronische Atemprobleme
Diese Liste stellt keinen Anspruch auf Vollständigkeit
und das ist in diesem Fall auch nicht
wirklich wichtig. Entscheidend ist, dass man
als Pferdekenner und auch als Mediziner alle
Möglichkeiten der Heilung eines Problemkreises
in Betracht zieht.
Spezifische
Probleme bei
Westernpferden
Speziell Quarter Horses haben im Gegensatz
zu anderen Rassen eine stark ausgeprägte
Muskulatur. Diese große Muskelmasse kann
für die Gelenke sowohl ein Vorteil als auch
ein Nachteil sein. Der Vorteil ist, dass 80%
einer Gelenkseinheit durch Muskeln, Sehnen
und Bänder zusammengehalten wird und dass
durch mehr Stabilität, der Verschleiß an den
Gelenken vermindert werden kann.
Nachteilig wirkt sich die größere Muskelmasse
allerdings dadurch aus, dass durch höheres
Gewicht und athletische Manöver, eine große
Belastung v.a. auf die Gelenke der Extremitäten
kommt.
Auch bei der Behandlung und beim
Auffinden der Punkte an denen man die Manipulationen
ansetzt, stehen einem die vielen
Muskeln manchmal im Weg. Dies trifft besonders
im Halsbereich zu, da hier die Wirbelgelenke
tief in den großen Muskelmassen liegen.
Gerade beim Reiningpferd kommt es durch
spektakuläre Manöver wie Stopp, Spinn und
Rollback etwas häufiger zu Problemen in der
Lendenwirbelsäule und im Kreutzdarmbeinbereich.
Allgemein lässt sich aber sagen, dass westerngerittene
Pferde durch die entspanntere
Reitweise und die natürliche Versammlung,
weniger Blockaden und Verspannungen aufweisen.
Auch die pferdgerechte Haltung in
Offen- oder Laufställen trägt positiv zur Gesunderhaltung
unserer Westernpferde bei.
Fortsetzung
folgt!
Quelle: Dr.
Matthias Gräber für westernreiter (EWU)
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