Serie
mit Dr. Matthias Gräber (I): Was ist Chiropraktik? mehr...
Serie mit Dr. Matthias Gräber (II): Wie läuft eine Chiropraktische
Behandlung ab? mehr...
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Dr. Matthias Gräber
ist Tierarzt und seit 20 Jahren aktiver Westernreiter. Er züchtet und trainiert
Quarterhorses mit großem Erfolg. Er war mehrfacher DQHA Futurity Champion in Working
Cowhorse und Reining, sowie NRHA Derby Champion. Seine besondere Vorliebe ist
aber die Vielseitigkeit, in der er mit seinem bekannten Quarter Horse Hengst Col
Awesome Socks über Jahre die Turnierszene in Deutschland mitbestimmt hat.
Nachdem Reining in den Kreis der offiziellen Sportarten aufgenommen wurde und
bei der FEI zur Medaillendisziplin aufgestiegen ist, wurde Dr. Gräber zum FEI
Tierarzt für die Disziplin Reining eingesetzt. Seit zwei Jahren ist er der betreuende
Tierarzt der deutschen Nationalmannschaft Reining und hat mit dieser auch schon
alle Höhen und Tiefen des Spitzensports durchlebt.
Wie läuft
eine Chiropraktische Behandlung ab?
Nach Aufnahme aller Daten, wie
Alter, Rasse und Einsatzbereich des Pferdes, lässt man es sich zuerst im Schritt
vorführen. Im Schritt lassen sich Bewegungsanomalien am Besten erkennen, weil
der Schritt eine Viertaktgangart ist, also jedes Bein einzeln aufgesetzt wird.
So kann man schon am Geräusch des Auffußens oder an der Lautstärke feststellen,
ob Ungereimtheiten im Gangbild vorhanden sind. Ein wichtiges Augenmerk legt der
Chiropraktiker auf die Bewegung des Schweifansatzes. Dieser sollte eine Acht beschreiben,
wenn man das Pferd von hinten beobachtet. Schon hier sieht man häufig, dass eine
symmetrische Bewegung nicht mehr vorhanden ist.
Bei Beobachtung von vorne,
sollten die Beine gerade auffußen und keine Schindel- oder Pendelbewegungen machen.
Es gibt natürlich auch rassespezifische spezielle Bewegungsmuster, die man nicht
überbewerten sollte. Weitere Augenmerke richtet man bei seiner Beobachtung auf
die Bewegung des Rückens sowie den Grad des Untersetzens der Hinterbeine. Danach
untersucht man das Pferd in Ruhe, wobei alle vier Beine gleichmäßig belastet werden
sollten. Bei der statischen Untersuchung wird vor allem auf Symmetrie in der Muskulatur
und im Knochenbau geachtet. Sowohl die Schulter-, als auch die Beckenmuskulatur,
sollte gleichmäßig rechts und links entwickelt sein. Auch die Stellung des Beckens
in Ruhe ist ein wichtiger Indikator für Symmetrie oder Asymmetrie im Pferd.
Der nächste Untersuchungsschritt ist dann das Abtasten der Muskulatur, um eventuelle
Verspannungen oder Verknotungen aufzudecken. Lokale Muskelverspannungen sind häufig
schon ein Zeichen dafür, dass im darunter liegenden Bereich Bewegungseinschränkungen
in Gelenkseinheiten vorhanden sind. Durch erhöhten Druck auf spezifische Punkte
am Körper, sogenannte Triggerpunkte, lassen sich ebenfalls Aufschlüsse über Verspannungen
im Körper erzielen. Diese nun im Vorfeld gesammelten Informationen, geben dem
Fachmann schon einen Hinweis auf den Grad der Erkrankung, lassen aber auf keinen
Fall eine genaue Diagnose zu.
Die nun folgende Untersuchung bezieht sich
jeweils auf sogenannte Bewegungseinheiten, d. h. ein Bereich im Körper, an dem
ein oder mehrere Gelenke zusammen eine Bewegung ausführen. Zu dieser Bewegungseinheit
gehört aber nicht nur der knöcherne Anteil, sondern genauso Bänder, Muskeln, Gelenkskapseln
und anderes Weichteilgewebe, das sich um das Gelenk befindet.
Die
Behandlung der einzelnen Gelenkseinheiten
Bei der Chiropraktik wird
nun jede einzelne Gelenkseinheit auf seine Beweglichkeit hin untersucht. Dies
erfordert viel Fingerspitzengefühl, denn die Bewegungen, z.B. zwischen den einzelnen
Wirbelkörpern, sind nur wenige Millimeter. Findet der Chiropraktiker eine Bewegungseinschränkung
in eine Richtung, wird diese, durch einen gezielten Impuls in die optimale Richtung,
behoben.
So spielen Diagnose und Behandlung immer direkt ineinander.
Wichtig ist hierbei die exakte Richtung der Manipulation, da sich Gelenke eben
nur in bestimmte Richtungen bewegen können. Weiterhin ist die Geschwindigkeit,
Kraft und Tiefe des Einwirkens sehr von Bedeutung, da sich die Chiropraktik immer
nur im sogenannten physiologischen Bereich, also im normalen Bewegungsbereich
der Gelenkseinheit abspielt. Dies hat den großen Vorteil, dass umliegende Bänder,
Sehnen und Muskeln nicht verletzt werden, und dass nur eine einzelne, spezifische
Gelenkseinheit behandelt wird.
Andere Methoden, die mit größerer Hebelkraft
arbeiten, haben zwar den Vorteil, dass man mehr Kraft an die einzelne Gelenke
bringen kann, jedoch zwei entscheidende Nachteile: Zum Einen, werden immer auch
andere Gelenkseinheiten, die unter Umständen gar keine Probleme aufweisen, mit
manipuliert, zum Anderen, ist die Dosierung der Kraft nicht wirklich optimal abzuschätzen
und so kann es auch zu Zerreißungen und Überdehnungen des gelenkumliegenden Gewebes
kommen. Wie man sich vorstellen kann, stellt allein die Überprüfung der Beweglichkeit
der Wirbelsäule einen großen Zeitaufwand dar, schließlich besteht sie aus über
50 Gelenkseinheiten und über 200 Einzelgelenken. In manchen Fällen ist es nötig,
neben der reinen chiropraktischen Manipulation, auch die Muskulatur durch Massage
oder Erwärmung wieder geschmeidiger zu machen. Nach dem Behandeln der Wirbelsäule,
werden die Gelenke der Gliedmaßen und das Kiefergelenk auf ihre Beweglichkeit
untersucht und behandelt. Im Idealfall sollte ein Pferd nach einer solchen Behandlung
wieder jedes Gelenk seines Körpers in seinem vollen Umfang bewegen können – was
in der Gesamtheit eine unglaubliche Verbesserung des Gesamtbewegungsablaufs bewirkt.
Wann ist der richtige Zeitpunkt für eine Behandlung?
Da
solche Bewegungseinschränkungen häufig schon länger Bestand hatten, ist es für
das Pferd erst mal ein ganz neues Körpergefühl, sich wieder so bewegen zu können.
Aus diesem Grund ist es auch absolut nicht angebracht, eine solche Behandlung
direkt vor einem Turnier zu machen. Im Gegenteil, nach einer Behandlung sollte
das Pferd vorsichtig einige Minuten geführt werden, damit es dieses neue Körpergefühl
erst erkennen und kennen lernen kann. Danach sollte man das Pferd für zwei Tage
ruhen lassen, damit sich auch die kleinen Muskeln und Bänder, die sich über längere
Zeit verkürzt hatten, wieder an diese neue Situation anpassen können. Erst dann
kann man langsam wieder mit Bewegung beginnen, damit die Muskulatur nun entsprechend
neu aufgebaut werden kann.
Der wahre Effekt der Chiropraktik zeigt sich
etwa nach ein bis zwei Wochen. Solange benötigt das Pferd, um seine Muskeln auf
die neue Gelenks- und Beweglichkeitssituation anzupassen. Anders ist die Situation
bei Hochleistungssportlern, die regelmäßig einer Chiropraktischen Behandlung unterzogen
werden, um ihr Leistungspotential so optimal wie möglich zu erhalten. Bei ihnen
ist es ohne weiteres möglich, auch vor dem Wettkampf eine Behandlung durchzuführen,
da es hier nur um eine Feineinstellung, der für den Körper bereits bekannten Funktionen
geht.
Bei einer Chiropraktischen Untersuchung und Behandlung sollte immer
der ganze Körper einbezogen werden und nicht nur, z.B. am Becken oder im Halsbereich,
eine Manipulation vorgenommen werden. Dies kann nämlich dazu führen, dass man
eine Kompensation des Körpers, also ein Versuch irgendwelche Probleme auszugleichen,
aufhebt und der Körper dann erst recht aus dem Gleichgewicht kommt.
Fortsetzung
folgt!
Quelle: Dr.
Matthias Gräber für westernreiter (EWU)
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