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Aus dem Thema Pferdefütterung kann man eine Wissenschaft
machen. Umso erstaunlicher ist es für Pferdebesitzer, dass sich die
ernstzunehmende wissenschaftliche Forschung bisher mit kaum
einem Haustier weniger beschäftigt hat, als mit dem Pferd. So
weiß man bis heute nicht genau, welche Proteine und Fette ein
Pferd wirklich verstoffwechseln kann, und man kennt auch den
Bedarf eines Pferdes nicht wirklich exakt. Durch diese Tatsache
sind auch alle Futtermittelberechnungen nur mehr oder weniger
passend für das eigene Pferd, denn der Bedarf wird nach Kilogramm
Körpergewicht ermittelt. Aber da fängt die Ungenauigkeit
schon an: ein 450 kg wiegender Hafl inger hat einen anderen
Bedarf als ein 450 kg schwerer Vollblüter.
Warum also forschen, wenn der
Markt auch so Absatz verspricht?
Ein Bauer ist sehr interessiert daran,
seine Kuh nicht mehr und teurer zu füttern
als unbedingt nötig.
Der liebende Pferdebesitzer dagegen kauft
alles, was sich gut anhört und seinem
„Liebling“ Gesundheit und Glück verspricht,
denn meist schaut er eben nicht auf
den Preis.
Um ein Pferd angemessen zu füttern, muss
man sich den Verdauungstrakt des Pferdes
anschauen: Die Verdauung fängt im Maul an
– daher sollten regelmäßig die Zähne kontrolliert
werden. Der Pferdemagen ist mit ca. 10-15
Liter Volumen recht klein, der Darm mit 25-30
Metern sehr lang, und die Grundnahrung des
Pferdes, nämlich Gras, ist relativ Nährstoffarm.
Daher muss das Pferd viel und ständig kleine
Mengen fressen; auf der Weide frisst es bis zu
16 Stunden am Tag. Der Blinddarm des Pferdes
wird von Bakterien bewohnt, die Zellulose fressen.
Diese Bakterien bestehen aus Proteinen
und können vom Pferd verdaut werden. Über
diesen Umweg ist das Pferd in der Lage, aus
Raufaser wie z.B. Stroh Eiweiß „herzustellen“.
Es gerät also bei intakter Darmfl ora nicht in
eine Eiweißunterversorgung! Das muss man beachten,
denn eine andauernde Überversorgung
mit Eiweiß führt zu allerlei Problemen, weil die
überschüssigen Proteine ausgeschieden werden
müssen und so den Stoffwechsel belasten.
Man kann jedes Pferd mit einer guten Weide
oder qualitativ hochwertigem Pferde-Heu ausreichend
ernähren. In gutem, raufaserreichem
Heu oder Heulage, das Ende der Blüte gewonnen
wurde (1. Schnitt) und viel Struktur hat, ist
alles enthalten, was ein Pferd braucht.
Für die Fütterung im Stall oder Offenstall bedeutet
das, dass Pferde ständig gutes Raufutter
zur Verfügung haben sollten. Pferde fressen
problemlos eine Tagesration von 10-15 kg
Heu oder Heulage bzw. 50-70 kg frisches Gras.
Wenn man zusätzlich Mineralfutter, einen Salzleckstein
und immer frisches Wasser anbietet,
haben die Pferde alles, was sie brauchen. Dabei
werden die meisten Pferde schon von Gras oder
Heu zu fett. Übergewicht führt auch bei Pferden
zu einer Leistungsminderung und belastet die
Gelenke zusätzlich. In solchen Fällen kann man
1/3 des Heus durch gutes Futterstroh ersetzen.
Kraftfutter braucht ein Pferd nur, wenn es so
viel arbeiten muss, dass es nicht mehr genug
Zeit hat, ausreichend Raufutter aufzunehmen.
So ging es den bäuerlichen Arbeitspferden, die
zehn Stunden im Geschirr gingen und daher auf
zusätzliches Kraftfutter unbedingt angewiesen
waren.
Unsere heutigen Freizeitpferde sind in der Regel
chronisch unterfordert und brauchen daher kein
zusätzliches Kraftfutter. In der Natur legen Pferde
täglich Strecken von 15-40 km zurück. Eine
Stunde reiten in der Reithalle bedeutet eine
Wegstrecke von ca. 3-5 km!
So bekommen meine Offenstall-Pferde seit
Jahren kein Kraftfutter mehr und sind dennoch
immer eher zu fett als dünn, obwohl sie regelmäßig
geritten werden.
Schon der Volksmund weiß, dass Pferde nicht
kotzen können, was leider dazu führt, das alles,
was vorne rein geht, durch den Verdauungstrakt
muss und erst am anderen Ende wieder zu Tage
tritt. Aus diesem Grund müssen die Futtermittel
gut verträglich und hygienisch einwandfrei sein;
sonst kommt es zu den gefürchteten Koliken, an
denen auch heute noch viele Pferde eingehen.
Allerdings sind bei weitem nicht alle Koliken auf
eine falsche Fütterung zurückzuführen.
Wenn ein Pferd trotz genügend Raufutter
nicht zunehmen will, muss man folgende
Dinge untersuchen:
1. Die Zähne
2. Wurmbefall?
3. Magengeschwüre ?
4. Die Darmfl ora ?
5. Infekte , wie z.B. Borreliose?
6. Permanenter Stress durch das Training oder
die Haltungsbedingungen?
7. Stoffwechselprobleme?
– also ggf. den Tierarzt hinzuziehen!
Es ist selten die richtige Lösung, einfach mehr
Kraftfutter zu geben. Heute weiß man, dass
hohe Getreiderationen den Körper übersäuern
und Magengeschwüre und Muskelprobleme
begünstigen und zu einer Entkalkung des Skeletts
führen können, weil Getreide sehr viel
Phosphor enthält. Greift man auf eine Kraftfutter-
Mischung oder Pellets zurück, so kann man
in der Regel davon ausgehen, dass alle Inhaltsstoffe
im richtigen Verhältnis zusammengestellt
sind und ist deshalb damit meist auf der sicheren
Seite.
Ich habe z.B. einmal die Idee gehabt, meinen
faulen Spanier-Wallach mit Hafer auf Trab zu
bringen. Das hat gar nicht funktioniert: er wurde
unglaublich „guckig“ und hat gescheut wie der
Weltmeister, schneller wurde er allerdings nicht.
Hafer scheint bei ihm gleich auf die Augen zu
schlagen. Daher habe dieses Experiment wieder
eingestellt und statt dessen zu Gerte gegriffen,
dass wirkt bei ihm viel besser.
Gerade bei Jungpferden kann eine Fütterung
mit viel Hafer ohne entsprechende zusätzliche
Gaben von Calcium zu Knochenaufl ösungen
führen!
Zuviel Kraftfutter und zuwenig Raufutter führt
gerade bei Boxenpferden zu Langeweile und
damit zu Verhaltensproblemen wie Weben,
Koppen, Wände Annagen, Futterneid und Rennen
unter dem Sattel.
Kraftfutter und Raufutter müssen sauber gelagert
werden, damit es nicht verdirbt oder mit
Mäuse- oder Vogelkot verunreinigt wird und
damit zu Krankheiten führen kann.
Sollte eine hohe Kraftfutterration ausnahmsweise
nötig werden, so muss man diese auf
mehrere Portionen über den Tag verteilen, um
eine Überladung des Magens zu verhindern. Bei
einem Quarter Horse sollte man nicht mehr als
2-3 kg Kraftfutter pro Mahlzeit füttern.
Wenn man Kraftfutter zufüttert, sollte man
vorher eine genaue Berechnung der Ration anstellen
und die Futtermenge entsprechend auswiegen.
Dazu wiegt man die Mengen an Heu,
Heulage, Stroh und Kraftfutter exakt ab, die das
jeweilige Pferd erhält.
Jede Ration sollte nach folgenden
Parametern ausgerichtet sein:
1. Die Trockensubstanz (TS) – das ist die Menge,
die das Pferd aufnehmen kann: ca. 2%
seines Körpergewichtes. Jeder Beipackzettel
eines Futters enthält die TS: wenn dieser
z.B. 880 g TS/kg (wie z.B. bei Hafer) angibt,
bedeutet das, dass das Futter noch 120 g
Feuchtigkeit = Wasser enthält. Futtermittel
mit einer niedrigen TS enthalten entsprechend
viel Wasser und verderben dann
auch schnell. Außerdem ist Wasser schwer
und man bezahlt entsprechend viel Geld für
die Feuchtigkeit!
2. Der zweite wichtige Parameter ist die Energie.
Wenn das Pferd nicht genug Energie
erhält, nimmt es ab. Wenn es zuviel Energie
erhält, wird es zu fett und übermütig.
Den Energiebedarf ermittelt man aus dem
Gewicht des Pferdes, seiner Arbeitsleistung, seiner
Haltung und Faktoren wie z.B. Milchleistung einer
Stute o.ä. – dazu gibt es entsprechende Tabellen mit
Bedarfswerten. (Achtung: Energie ist nicht gleich Eiweiß!)
3. Ein Anteil von 20-25 % Rohfaser in der Ration ist
wichtig, um die Darmbakterien im Darm und Blinddarm
und damit die Eiweißfabrik gesund zu erhalten.
4. Der Anteil an Eiweiß in der Ration sollte nicht zu hoch
sein. Eine Überfütterung mit Eiweiß von mehr als 50
% zuviel wird zu Stoffwechselproblemen führen. Viele
Pferde überleben die permanente Überfütterung
nur, weil sie das Eiweiß nicht mehr verwerten. Man
füttert also umsonst; wirft Geld zum Fenster heraus
und belastet den Stoffwechsel des Pferdes unnötig.
Angaben zu Bedarf und Inhaltstoffen kann man in der
Literatur z.B. den FN-Richtlinien Band 4: Haltung, Fütterung,
Gesundheit und Zucht entnehmen. Dieses Buch
enthält eine Vielzahl von wichtigen Informationen für jeden
Pferdebesitzer und ist sehr empfehlenswert.
Es ist auch sinnvoll, einmal die Kosten der monatlichen
Fütterung auszurechnen. Eine preiswerte Fütterung ist
oft genauso gesund wie eine teure Fütterung. Hier kann
man also sparen, ohne dem Pferd zu schaden!
Es gibt auf dem Markt auch etliche Programm für den PC,
die bei der Ausrechnung von Futterrationen helfen. Man
wird nach dieser Berechnung allerdings erstaunt sein,
dass die Mehrheit der Pferde mit 12-15 kg gutem Heu
oder Heulage alles hat, was es braucht.
Wer genau wissen will, was sein diesjähriges Heu enthält,
kann eine Probe zur jeweiligen Landwirtschaftlichen
Untersuchungsstelle (Lufa) schicken und das Futter dort
analysieren lassen. Die Adresse erfragt man bei seiner
Landwirtschaftskammer.
Die meisten Pferdebesitzerinnen bringen es aber nicht
übers Herz, ihren Liebligen nicht noch etwas dazuzugeben.
Wenn es schon sein muss, dann bitte ein paar Äpfel,
ein paar Möhren und eine Handvoll (= ein paar hundert
Gramm) eines eiweißarmen und energiearmen Mischfutters.
Denn Pferde können die Energie des Futters nicht
speichern, sondern sie setzen sie gleich um – dann „sticht
sie der Hafer“ und zu viel führt zu Verhaltensproblemen,
wenn das Pferd seine Energie nicht loswerden kann.
Außerdem muss man beachten, dass der Pferdeorganismus
immer eine gewisse Zeit braucht, um ein Futtermittel
optimal verwerten zu können.
Dauernde Futterumstellungen sind daher schädlich und
zu vermeiden! Wenn man also ein Zusatzfutter geben
will, dann über einen längeren Zeitraum von mehreren
Wochen. Pferde sind als Mülleimer für altes Brot, altes
Obst und andere Abfälle völlig ungeeignet!
Und zum Schluss der Hinweis auf den alten Spruch:
„Das Auge des Herren füttert das Vieh“, der ist auch heute
noch gültig. Pferdefütterung hat auch viel mit Erfahrung
zu tun.
Man muss einfach hinschauen und beurteilen:
Geht es dem Pferd mit dieser Fütterung gut? Ist es gesund,
leistungsfähig, munter, zufrieden und hat ein gutes
und glänzendes Fell? Dann ist offensichtlich alles gut.
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