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Haben sie sich je gefragt, warum ihr Pferd plötzlich ohne ersichtlichen Grund unruhig reagiert oder warum Pferde in Hänger ungern hineingehen? Warum nehmen Pferde vor Sprüngen Ihre Köpfe nach oben und drängen ganz offensichtlich gegen das Gebiss? Warum zucken viele von Ihnen bei Berührung Ihrer Flanken und werden aggressiv? Oder anders herum: Glauben Sie, Ihr Pferd würde einfach nur spinnen, schauspielern und sich aufregen, wenn es wiederholt scheut oder plötzlich unruhig wird? Haben Sie auch das Gefühl, das Pferd hätte einen sturen Tag, wenn es nicht in den Hänger gehen will? Glauben Sie, das Pferd möchte Schwung für den Sprung holen, wenn es gegen die Zügel geht? Denken Sie, dass Ihr Pferd kitzelig ist, wenn es am Bauch oder an der Flanke berührt wird?

Obwohl wir meist das Gefühl haben, zu wissen, warum unsere Pferde bestimmte Verhaltensweisen an den Tag legen, liegen wir oft falsch. Wir rätseln, was die Pferde eigentlich mit Ihrem Verhalten bezwecken wollen. Zurückzuführen sind alle Reaktionen unserer Pferde auf die Wahrnehmung Ihrer Umwelt. Im Gegensatz zu uns Menschen sind Pferde auf andere Reize fokussiert. Sie deuten Situationen, die für uns klar auf der Hand liegen, ganz anders. Für uns ist das bemerkbar in ihrem Verhalten. Pferde besitzen wie wir Sinne, mit denen sie sich in Ihrer Umgebung zurechtfi nden. Sie riechen, hören, fühlen, sehen und schmecken. Zudem empfi nden sie Schmerz und Temperaturunterschiede, ähnlich uns Menschen. Das war es schon fast mit Gemeinsamkeiten, denn bei Pferden handelt es sich um Fluchttiere und bei uns Menschen – in Tierkategorisierung – um Raubtiere. Die Wahrnehmung ist der jeweiligen Funktion angepasst.

Das Sehen ist unser wahrscheinlich wichtigster Sinn. Wir besitzen ein binokulares Sichtfeld. Das Bild, das wir sehen, wird aus den unterschiedlichen Bildern unserer beiden Augen zusammengesetzt. Wir sind in der Lage Gegenstände und Landschaften genau aufzulösen und zu fokussieren. Zusätzlich wird räumliches Sehen ermöglicht. Das monokulare Sehen (= das Sehen mit einem Auge) dient in erster Linie zur Betrachtung sehr weit entfernter Gegenstände. Die Aufl ösung ist hierbei gering, allerdings werden kleinste Bewegungen wahrgenommen. Es erstaunt nicht, dass bei Fluchttieren, wie auch dem Pferd, die monokulare Sicht überwiegt (Abb.1). In der natürlichen Umgebung müssen sie die Übersicht behalten und kleinste Bewegungen in der Ferne wahrnehmen, um sich rechtzeitig in Sicherheit zu bringen. Die seitliche Anordnung der Augen ermöglicht hierbei eine optimale Ausdehnung des Sichfeldes auf fast 360°.

Das Scharfsehen von Gegenständen ist Pferden nur im binokularen Sichtfeld das heißt frontal vor ihm möglich. Hierbei muss man davon ausgehen, dass durch die seitliche Lage der Augen direkt vor dem Pferd ein toter Winkel entsteht, der sich einen Meter nach vorne ausdehnt (siehe Abb.1). Auch hinter dem Pferd liegt ein toter Winkel. Zusätzlich ist die Sicht des Pferdes durch einen blinden Punkt auf der Netzhaut eingeschränkt, der dazu führt, dass Pferde nach vorne und unten scharf sehen können. Alles, was oberhalb des Auges liegt, verschwimmt (siehe Abb.2a und b).

Die eingeschränkte Sicht des Pferdes erklärt so manche Eigenart. Sehr oft passiert es, dass unruhige Pferde an fremden Plätzen immer wieder den Kopf heben und nicht konstant am Zügel gehen. Kein Wunder: sie sehen nicht, was um sie herum passiert. Gemäß ihrem Fluchtinstinkt haben sie den Drang, die Lage abzuklären. Oft reicht es, dem Pferd ein paar Minuten „Rumguck“- und Eingewöhnungszeit an neuen Plätzen zu geben, um beunruhigende Dinge in Augenschein zu nehmen und um zu sehen, dass alles in Ordnung ist.

Auch das Drängen gegen die Zügel vor dem Sprung ist darauf zurückzuführen, dass das Pferd wenigstens vor dem Sprung sehen möchte, worüber es springt. Wenn es bereits beim Absprung ist, wird das Hindernis zum schwarzen Loch und ist nicht mehr sichtbar. Auch Trail Stangen werden unsichtbar, wenn Pferde ihre Köpfe senken. Die Vierbeiner machen das am ehesten, um mit Ihren Tasthaaren zu erkunden, über was sie sich da bewegen, denn unmittelbar vor ihnen befi ndliche Gegenstände können nicht gesehen werden, sondern fallen in den toten Winkel. Obwohl Pferde in der Dunkelheit eine wesentlich bessere Sicht besitzen, ist die Hell-/Dunkeladaption bei Pferden im Gegensatz zu uns Menschen sehr langsam.

Je greller das Licht draußen und je dunkler der Stall oder Hänger, desto weniger kann das Pferd bei zügigem Hineingehen erkennen. Hängerprobleme kennt wohl jeder von uns, wenn nicht beim eigenen Pferd, dann doch wenigstens irgendwo in unserem Umfeld.

Warum reagieren viele Pferde mit solchem Unbehagen auf den Hänger?

Das Sichtfeld des Pferdes ist viel größer als das des Menschen. Eine Stelle mit wenig Licht erscheint aufgrund der langsamen Hell-/Dunkeladaption wie ein schwarzes Loch. Für das Pferd, das am helllichten Tag verladen werden soll, stellt sich das ganze folgendermaßen dar:

Die Stelle, auf die wir das Pferd zu bewegen, sieht aus wie ein schwarzes Loch in mitten einer hellen, übersichtlichen und wahrscheinlich gewohnten Umgebung. Verglichen mit dem restlichen Sichtfeld ist der Hänger eine winzige schwarze Stelle, die, obwohl sie sich vor dem Pferd befi ndet und somit fokussierbar wäre, vom Pferd nicht erkannt werden kann. Zusätzlich verschwimmt in dem Moment, in dem das Pferd die Rampe betritt, der vordere Teil des Hängers zum blinden Fleck, so dass das Pferd die Wahl hat zwischen Helligkeit und Übersicht hinter ihm und Dunkelheit, Enge und Ungewissheit vor ihm.

Wofür würden Sie sich entscheiden?

Viele Pferde steigen mit den Vorderhufen auf die Rampe, strecken ihren Kopf in den Hänger und halten inne. Womöglich brauchen sie Zeit um ihre Augen an die Dunkelheit zu gewöhnen und über die Situation nachzudenken. Der Grund, warum wir ein Pferd davon überzeugen können, in einen Hänger zu steigen, ist das Vertrauen, das dieses Pferd uns entgegenbringt und die Erfahrung, dass der Hänger keine Gefahr darstellt.

Nicht nur die Augen funktionieren beim Pferd anders. Auch Geschmack und Geruch sind wesentlich weiter entwickelt als bei uns Menschen. Der Geschmack der Pferde dient als wichtiges Werkzeug bei der Unterscheidung zwischen genießbarem und krankmachendem Futter. Das ist in der freien Natur von großem Vorteil – allerdings ist diese Fähigkeit nicht fehlerfrei. Auch der Geruch dient als Wegweiser in der Umwelt.

Während bei uns Menschen noch darüber diskutiert wird, ob es dieses Organ noch gibt, nimmt das Jabob’sche Organ beim Pferd eine entscheidende Rolle im Sozialverhalten ein. Neben der normalen Geruchswahrnehmung, die aufgrund der höheren Dichte an Geruchsrezeptoren wesentlich besser funktioniert als bei uns Menschen, kann das Pferd zusätzlich Pheromone (Sexualduftstoffe) erkennen. Das Flehmen des Pferdes dient dazu, den Duftstoffcocktail zu diesem Organ zu transportieren und Pheromone herauszufi ltern. So kann es wichtige Informationen über sein Gegenüber gewinnen.

Obwohl es Pferden sehr gut möglich ist, Artgenossen und Plätze anhand ihrer Gerüche zu charakterisieren, können sie Schwierigkeiten haben, uns Menschen am Geruch zu erkennen. Wir maskieren unseren Eigengeruch im täglichen Leben durch Duschgel, Deo oder andere Kosmetika. Würde das Pferd sich auf den Geruchssinn verlassen, hätte es Probleme den Duft der Bezugsperson herauszufi ltern. Im täglichen Umgang mit dem Mensch scheint das Pferd sich auf einen anderen Sinn zu verlassen – auf das Gehör.

Ein Pferd hört in einem Bereich von 55 Hz bis 33 kHz. Hierbei sind Töne zwischen 1 und 16 kHz für das Pferd am besten hörbar. Als Vergleich: der Mensch hört Frequenzen von 30 Hz bis 19 kHz (Kernfrequenz: 500 Hz bis 8 kHz). Obwohl sich große Teile des Hörbereiches überschneiden, kann es sein, dass Pferde sehr tiefe Töne und Stimmen nicht hören. Andererseits können unsere vierhufi gen Freunde, obwohl sie auf hohe Töne wesentlich unempfi ndlicher reagieren als Hunde, Töne wahrnehmen, die für uns nicht mehr erkennbar sind.

Auch was das Hören von weit entfernten Geräuschen angeht, sind sie uns sprichwörtlich meilenweit überlegen. Tests haben ergeben, dass Pferde sogar auf Geräusche aus 4400 m Entfernung reagieren. Das können Töne sein, die das Pferd als Gefahr interpretiert.

Wir hören oder spüren in dieser Situation nichts – trotzdem ist das Pferd in höchster Alarmbereitschaft. Auch wenn immer wieder andere Meinungen propagiert werden, glauben die Wissenschaftler, dass verbale Kommunikation mit Pferden nützlich ist. Ihnen wird so die Gelegenheit gegeben, die Klangfarbe einer Stimme eindeutig der Bezugsperson zuzuordnen. Besteht Vertrauen zwischen Pferd und Mensch, kann seine Stimme bei Gefahr die Situation entspannen.

Die Lokalisation der Tonrichtung geschieht durch die frei drehbaren Ohren, die sich in Geräuschrichtung drehen können. Oft können Pferde zwar die Richtung eines Geräuschs bestimmen, nicht aber die genaue Quelle. Das führt zu Irritationen und Aufregung. Meist ist die Situation erst dann geklärt, wenn unser vierbeiniger Freund festgestellt hat, dass von der Geräuschquelle keine Gefahr ausgeht. Sollte der Lärm für ein Pferd zuviel werden, kann es sich durch Anlegen der Ohren schützen. Die Öffnung wird verdeckt, so dass laute Töne nicht in die Ohrmuschel dringen können.

Nicht schützen kann sich das Pferd vor der Wahrnehmung von Berührung, Druck und Schmerz. Die Pferdehaut ist übersäht mit Druckrezeptoren. Ohne diese Rezeptoren wäre das Reiten nicht möglich. Eine besonders hohe Dichte der Nervenendigungen befi ndet sich im Gesichtsfeld – um die Augen, die Nüstern, das Maul und die Ohren. Das sind die zentralen Punkte, die dem Pferd ermöglichen, sich in der Umgebung zurechtzufi nden.

Einige Pferde reagieren sehr empfi ndlich auf das Säubern ihrer Ohren, andere sind sehr empfi ndlich beim ersten Aufzäumen. Erst nach und nach lässt diese Sensibilität nach. Da jedes Pferd Druck und Berührung unterschiedlich stark wahrnimmt, sollte dem Pferd genügend Zeit gegeben werden, sich an diese ungewohnte Situation zu gewöhnen. Abgesehen vom Gesichtsfeld sind Pferde am Widerrist und am Rücken, an der Flanke und an den Beinen empfi ndlich. Das ist nicht verwunderlich, denn an diesen Stellen greifen Raubtiere in erster Linie an. Widerrist und Rücken spielen für uns eine maßgebliche Rolle beim Einreiten des Pferdes.

Dass der Reiter und der Sattel bei jungen Pferden ähnliche Instinkte wach rufen wie ein Raubtier, weiß wahrscheinlich jeder von Ihnen. Allerdings nützt uns die starke Sensibilität an Widerrist, Rücken und Rippenbogen um Reithilfen optimal und minimal einzusetzen. Hat das Pferd einmal das Vertrauen gewonnen und verstanden, dass vom Reiter keine Gefahr ausgeht, werden diese Druckrezeptoren sozusagen „funktionell entfremdet“ und das Pferd lernt, über sie Signale anzunehmen. Trotz Sensibilität adaptieren auch Druckrezeptoren wie alle Sinnesrezeptoren an dauernd ausgeübte Reize.

Das bedeutet:

starke Zügel-, Beinoder Sporeneinwirkung stumpfen das Nervensystem ab. Selbst wenn das Pferd gewillt wäre, diese Signale wahrzunehmen, werden sie bei dauerhafter Reizüberfl utung nicht mehr weitergegeben.

Große Diskussion herrscht immer noch bei der Frage des „Clippens“ der Tasthaare. Im Gegensatz zu Deutschland ist das Clippen in den USA und vielen anderen Ländern nach wie vor erlaubt.

Wissenschaftler sind sich mittlerweile sicher, dass die – rund ums Maul wachsenden – Haare gemäß ihrem Namen dem Ertasten dienen. Domestizierte Pferde nutzen diese Haare bspw. um Elektrozäune auf Ihre Funktionalität zu überprüfen. Zurzeit wird noch genauer geforscht, wozu die Haare in freier Wildbahn dienen und wie sie funktionieren. Denkbar ist eine Schutzfunktion, die die mangelnde Sicht direkt vor dem Pferd ergänzen könnte.

Viele Eigenarten unserer Pferde sind in Ihrer Wahrnehmung und in Ihrem Wesen, dem Wesen eines Fluchttieres, begründet. All zu oft lassen wir uns verleiten, die Umwelt zu sehr mit „unseren“ Augen zu sehen, wenn wir mit den Vierhufern umgehen.

Oft liegt die Lösung für die größten Probleme mit unseren Pferden auf der Hand – oder sollten wir eher sagen „auf dem Huf“?!


Quelle:
Ribana Schneider für westernreiter (EWU)


Fragen? Die 20 wittelsbuerger.com-Experten helfen gerne weiter,

z.B. Petra Roth-Leckebusch für den Bereich Zucht.
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