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THE CODE OF THE WEST
Dieser Kodex ist eine seltsame Mischung
aus Nächstenhilfe und oft
brutaler „Rechtsprechung“, aus Fairness,
Gefälligkeit und Gewalt. Es ist
die Widersprüchlichkeit des Kodex,
der das Leben damals so regelte, dass
jeder sich auf ihn berufen konnte,
weil die Regeln jede Auslegung zuließen.
Der Kodex ist zunächst ein
moralischer Leitfaden, appelliert an
das Gute im Menschen, andererseits
sanktioniert er jedoch genau gegenteiliges
Handeln.
Das heutige Amerika erscheint in
gleicher Weise voller Widersprüche –
Gerechtigkeitsfanatismus bei unnachgiebiger
Intoleranz gegen Minderheiten,
bigotte Religiösität bei rücksichtsloser
Durchsetzung eigener Interessen.
Die Legenden, die sich um den Friedensrichter
Roy Bean oder um den
Rinderbaron Charles Goodnight
gebildet haben verdrängen alle, deren
Unrecht und Verbrechen, die sie unter
Berufung auf den Code begangen
haben. So haben auch viele Rancher
den Code nach ihrer Version ausgelegt,
wie jener, der, um sein Eigentum
zu schützen, Zäune um sein Land zog,
jedoch die Zäune des Nachbarn
durchschnitt, indem er sich auf die
Freiheit der Prärie berief, wie es der
Code ebenfalls postulierte.
DER CODE –
ETHIK DER FAIRNESS
So widersprüchlich die ungeschriebenen
Gesetze auch waren, sie ordneten
als allgemein anerkannte Ethik
der Fairness, das Leben der Rancher
und Cowboys. Die wichtigsten Prinzipien
des „Code of the West“ regelten
gleichsam alles, was das Zusammenleben
im damaligen Alltag betraf.
Denn die Gelegenheiten für Übeltaten
waren in dem weiten, dünn besiedelten
Land nahezu unbegrenzt.
Oberstes Gesetz war sein Manneswort
zu halten. So warf der Vormann einer
Ranch in Montana einen Cowboy hinaus,
weil er einer Prostituierten nicht
den zugesagten Freierlohn gezahlt hatte.
In Geldangelegenheiten vertrauten
die meisten Cowboys einander, Geldgeschäfte
wurden per Handschlag
besiegelt. Ein Cowboy aus North Dakota
gab die Hälfte seines Lohns, den
er für das Graben von Löchern für
Zaunpfähle erhalten hatte zurück,
weil er ein Loch nicht tief genug gegraben
hatte.
Wenn die Löhne ausgezahlt
werden sollten,
konnten die Rancher
die Säcke mit dem Geld offen liegen
lassen, ohne dass man sie anrührte,
bis die Männer sich ihren Lohn abholten.
Viehkäufer erwarben per Handschlag
ganze Herden, ohne dass sie ein
einziges Vieh gesehen haben.
Einer sollte dem Anderen helfen, wo
es nötig war, sich aber nicht in dessen
private Angelegenheiten einmischen
oder nach seiner Vergangenheit fragen.
Gastfreundschaft für den vorbeiziehenden
Cowboy war oberste Verpflichtung.
In Texas hatte ein Rancher
zwei Cowboys auf Arbeitssuche zu essen
gegeben und verlangte anschließend
50 cent. Die Cowboys brannten daraufhin
ob dieser Verletzung des Codes,
einem der Stiere des Ranchers
die Botschaft „meals – 50 cts“ in die
Flanke, damit jeder sehen konnte,
dass der Rancher diesen Code gebrochen
hatte und Schmach über ihn
kam.
Das Pferd war eines Mannes
wichtigster und unantastbarer
Besitz, was die Schlinge für den
Pferdedieb bedeutete. Es war
wichtig, einen guten Namen zu
haben und zu verteidigen. Wer den
Code brach, den traf mindestens Verachtung
und Spott.
CODE DER GEWALT
Dieser Kodex funktionierte gut, weil
er einfach war. Wenn gegen den Kodex
verstoßen wurde und es zu Meinungsverschiedenheiten
oder Streit
kam, wurde der Code jedoch aus der
jeweiligen Sicht neu definiert, dann
ging Gewalt vor Recht. Beides lag sehr
nahe beieinander. Der Kodex des
Westens und die Gewalt, die ihn entwickeln
half, existierten nicht nur in
einer unentwirrbaren Symbiose, sondern
bildeten zusammen die Hauptquelle
für die Legenden, die den
leichtgläubigen „Easternern“ in Groschenromanen
erzählt wurden.
Wohl trug der Cowboy des alten Westens
eine Waffe, aber nur um sich
und die Herde vor Bären, Mountain
Lions, Wegelagerern und Indianern
zu schützen, oder um Warnsignale
geben zu können. Die Roman- und
Filmversion vom Cowboy als Revolverhelden
ist eine erfundene Figur,
die erst mit der weitgehenden Einzäunung
der Plains Wahrheitsgehalt
bekam. Mit Ende der open range sahen
die Cowboys ihre Existenz gefährdet,
wurden arbeitslos, viele schlossen sich
räubernden Banden an. Durch die
fast völlige Einzäunung des Weidelands
in den 1890er Jahren wurde
der „Kodex des Westens“ außer Kraft
gesetzt.
Als ab dem Jahre 1874 durch Joseph
F. Glidden’s Erfindung des Stacheldrahts
die Siedler und Rancher ihr
Farm- und Weideland einzuzäunen
begannen, und Vieh- und Pferdediebstahl
an der Tagesordnung war, bildeten
sich im Westen immer mehr
Vigilanz-Komitees zur Selbstjustiz. In
deren Namen wurden Vieh- und Pferdediebe,
Posträuber und Zaunschneider
am nächsten Baum aufgehängt,
oft zu Recht, aber auch auf bloßen
Verdacht hin.
Häufig waren Mitglieder
solcher Komitees von
Rinderbaronen gedungene
Killer, die verharmlost Viehdetektive
oder Viehinspektoren genannt
wurden. Die Rinderbarone ließen
Herden im Wert von Millionen Dollars
auf der Range weiden, zu deren Schutz
professionelle „gunmen“ ihre schmutzige
Arbeit verrichteten. Einer der
berüchtigsten Detektive war Tom
Horn, der für 500 Dollar jeden Viehdieb
erschoss. Tom Horn endete 1903
in Cheyenne am Galgen.
Die Vigilanz-Komitees gab es schon
seit den 1860er Jahren, wobei deren
Rechtsverständnis im Sinne des Kodex
doch ausgeprägter war im Vergleich
zu ihren Nachfolgern: zwei, drei Jahrzehnte
später.
DAS ENDE DES CODES –
DAS ENDE DES WESTENS
In den 1890er Jahren entbrannten
im ganzen Westen diverse Weidekriege,
wie der in Johnson County 1891/92
in Wyoming, der dem Cowboy das
Image des schießwütigen Desperados
einbrachte. So wurden Schießereien
zum spektakulären Ausdrucksmittel
des Westens, hatten jedoch mit dem
Alten Westen nichts gemein. Spätestens
in diesen Jahren gehörten der
Cowboy und der „Code of the West“
in ihrer ursprünglichen historischen
Einordnung der Vergangenheit an.
1893 verkündete der Historiker Frederic
Jackson Turner in seinem
Vortrag „The Significance of the
Frontier in American History“, der
dann zu einem der berühmtesten
Dokumente der amerikanischen Geschichte
wurde, das Ende der Grenze
und damit der Pionierzeit Amerikas.
1894 drehte Thomas A. Edison mit
den Wildwest-Show-Sujets von Buffalo
Bill die ersten richtigen Filme. John
Ford, der als der größte Western-
Macher gilt, wurde im gleichen Jahr
geboren.
Hier beginnt eine neue Ära –
das Ende des Westens,
der Beginn des Western.
Lesen Sie weiter im nächsten
Westernreiter!
saddle up and so long –
HANK
Quelle: Hank
für westernreiter (EWU)
Liebe Leserin, lieber Leser! Welcome back,
lieber Hank! Nach einigen Monaten kreativer Schaffenspause freuen wir uns ganz
besonders auf neue und spannende Episoden unserer Serie „Mythos Cowboy”. Durch
die riesige, durchweg positive Resonanz unserer Leser konnten wir unseren Hank
nun für weitere, exclusiv für den Westernreiter geschriebene Storys begeistern.
Ihr Heinz Montag
Fragen? Die 20 wittelsbuerger.com-Experten helfen gerne weiter, z.B.
Petra Roth-Leckebusch für den Bereich Zucht. Zum
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