Dr.agr. Dr.agr. habil. Ines von Butler-Wemken ist
Expertin für für den Bereich Vererbung/Genetik im wittelsbuerger.com-Expertenforum. Dorthin
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und Trauma Eine
umfangreiche Praxis-Studie an der ETH Zürich ergab, dass nicht artgerechte Haltungsbedingungen
eindeutig zu Verhaltensstörungen führen können. So war der Anteil verhaltensgestörter
Pferde bei Einzelhaltung 2,5 mal höher als bei gemeinsamer Gruppenhaltung. Doppelt
so hoch war auch der Anteil verhaltensgestörter Pferde, wenn sie ganz alleine
in einem Stall gehalten wurden. Insgesamt haben von 2536 erfassten Pferden dort
89 Pferde die permanenten Verhaltensstörungen Koppen, Weben oder Boxenlaufen gezeigt.
In mehreren Ländern wurden in den letzten Jahren eingehende Beobachtungen an betroffenen
Pferden durchgeführt. Es zeigte sich, dass die Verhaltensstörungen Koppen und
Weben in allen Altersstufen erstmals auftreten können und ihren Ursprung oft auch
in einer außergewöhnlichen Situation haben. So sind Verhaltensstörungen bei Fohlen
kurz nach dem Absetzen, bei älteren Pferden nach einem Stallwechsel und nach der
Trennung von Stallgefährten, aber auch nach einer Krankheit, erstmals aufgefallen.
Schlüsselereignisse mit einer besonderer Stress-Belastung, die beim Pferd zu einem
gestörten Dauerverhalten führen können. Das
Futter beachten Länger
andauernde Beobachtungen an Webern und Koppern ergaben, dass meist Erregung später
dann ein direkter Auslöser ist. Das stereotype Verhalten wird bevorzugt ausgeführt,
wenn im Stall oder Stallbereich Aktivitäten ablaufen oder an den Tieren etwas
geschieht, wie Putzen oder Aufsatteln. Am Tag wurden bei Koppern im Mittel 33
Koppvorgänge pro Stunde und in der Nacht 8,8 Koppvorgänge pro Stunde registriert.
Über achtzig Prozent aller Koppvorgänge folgten direkt einem äußeren Ereignis.
Bei Webern haben die Wissenschaftler 400 bis 10.000 tägliche Ausschläge pro Pferd
gezählt. Werden Spiegel im Stallbereich angebracht, dann stellen die Pferde das
Weben nachhaltig ein, das haben Untersuchungen in England erstmals aufgezeigt.
Für die Wissenschaftler an der Landwirtschaftsschule Lincolnshire ein Hinweis
darauf, dass die Verhaltensstörung Weben auch durch Isolation und fehlenden ständigen
Sichtkontakt zu Artgenossen entstehen kann. Fenster und Außenboxen mit geöffneter
Obertür reduzierten in dieser Studie das Weben bei betroffenen Pferden dagegen
nicht. An Koppern hat der Verhaltensforscher John Mc Greevy erstmals gezeigt,
dass zuckerreiches Futter (Getreide) ein deutlicher Auslöser für das Krippensetzen
sein kann. Zuckerhaltiges Futter setzt beim Pferd tatsächlich endogene Botenstoffe
frei, welche nervöses Verhalten bei hierfür besonders empfindsamen Pferden vermehrt
auslösen können. Ergänzende Fütterungsversuche mit verschiedenen Pferderassen
in anderen Ländern unterstützen diese Beobachtung. Im Vergleich zur Heufütterung
ist das Koppen kurz nach Verfütterung von zuckerhaltigem Futter (Getreide, Kraftfutter,
Zucker) bei betroffenen Pferden hier um ein Mehrfaches erhöht. Andererseits lässt
sich das Koppen durch eine Gabe von sogenannten Botenstoff-Blockern im Tierversuch
vorübergehend auch ausschalten. Deutliche
Rassenunterschiede Weben
und Koppen wird schon in der alten Pferdeliteratur beschrieben. Die Verhaltensstörungen
werden heute in allen Reitpferderassen beobachtet. Studien haben auch gezeigt,
dass Koppen, Kreiswandern und Weben nur selten nachgeahmt werden. Zeigen mehrere
Pferde Verhaltensstörungen in einem Stall auf, so ist dies eher ein Hinweis auf
ein nicht artgerechtes Haltungsverfahren. Insgesamt aber liegen bisher wenig Informationen
vor. Eher ungern geben Pferdehalter hier Auskunft. Neuere Untersuchungen bestätigen
die Rassenunterschiede sowie eine genetische Disposition für das gehäufte Auftreten
von Verhaltensstörungen. Pferde haben offensichtlich eine unterschiedliche genetische
Disposition um auf Stressfaktoren, auch auf Haltungs- und Fütterungsfehler zu
reagieren. Arbeiten aus Cambridge zeigen auch, dass höher im Blut stehende Pferde
bevorzugt mit überaktivem Bewegungsverhalten, andere Rassen (Kaltblut und Shetland
Pony) aber auch mit besonderer Teilnahmslosigkeit auf permanenten Haltungsstress
reagieren. Enge Inzucht (Linienzucht) wird ebenfalls mit erhöhter Stressanfälligkeit
und ausgeprägten Verhaltensstörungen beim Pferd diskutiert. Kaum
Heilung möglich Verhaltensstörungen
lassen sich mit optimierten Haltungsbedingungen zwar reduzieren, jedoch bei betroffenen
Pferden meist nicht mehr vollständig ausschalten. Bei Webern und Kreiswanderern
werden Gruppenhaltung und Weidegang, zumindest aber ein Boxengefährte und erhöhte
Rauhfuttergaben empfohlen. Beim Kopper werden schon über Jahrhunderte Kopperhalfter
und Riemen eingesetzt. Sie fügen den Pferden Schmerzen beim Luftabschlucken zu.
Doch diese Maßnahmen sind überhaupt nur dann angebracht, wenn das Koppen selbst
zu massiven gesundheitlichen Schäden führt, was eher selten ist. Operative Eingriffe
durchtrennen oder teilentfernen Hauptnerv oder Halsmuskulatur. Gut 80 Prozent
der Aufsetzkopper und 60 Prozent der Freikopper koppen nach einer solchen Operation
dann nicht mehr. Doch auch mit einer Operation wird hier nicht die Krankheit selbst,
sondern nur ihre äußere Erscheinungsform eingestellt. Die moderne Verhaltensforschung
zeigt deutlich, dass eine Verhaltensstörung, wie Weben und Koppen, beim betroffenen
Pferd zu einem Erregungsabbau führt. Sie hilft dem kranken Tier durchaus besser
auf ein Ereignis zu reagieren. So werden Maßnahmen, die nur die Ausführung einer
Verhaltensstörung am Einzelpferd unterdrücken, aus Tierschutzgründen heute abgelehnt.
Hier ist es auch falsch, von Untugenden des Pferdes zu sprechen, gilt es doch
vor allem für den Menschen den gesamten
Haltungsbereich pferdegerechter anzupassen, Stressfaktoren mehr zu beachten und
auch bewusst zu vermeiden.
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