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Schock fürs Leben - Koppen und Weben
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Über drei Prozent der Pferde zeigen in Feldstudien heute die Verhaltensstörungen Koppen, Weben und Kreislaufen. Sie werden meist als Spielerei oder Stall-Untugend bezeichnet. Doch Untersuchungen zeigen, dass die tierschutzrelevanten Verhalten ganz andere Ursachen haben. Meist stimmt der Umgang mit den Pferden nicht.

 Häufig betroffen, Futteraufnahme und Bewegung

Artgerecht, den natürlichen Bedürfnissen angepasst, so sollten Pferde gehalten und behandelt werden. Fehlerhafte Bedingungen können massive Verhaltensstörungen auslösen. Diese betreffen vorwiegend Futteraufnahme und Bewegung, zwei Funktionskreise, die beim Gebrauchspferd zwangsweise am stärksten eingeschränkt werden. Gestörte Futteraufnahme äußert sich im Stall nicht selten im unkontrollierten Abschlucken von Körnerfutter. Beim Koppen wird dieser Vorgang noch erweitert. Pferde schlucken dann, unabhängig von der Futteraufnahme, nur noch Luft. Dies geschieht frei oder mit aufgesetzten Zähnen, was man Freikoppen, Windschnappen oder Aufsetzkoppen nennt. Weben und Kreislaufen sind dagegen direkt gestörte Bewegungs- und Ruheverhalten. Auch sie werden, wie das Koppen, im Stall und auf der Weide ausgeführt. Weber pendeln mit Kopf und Hals von einer Seite zur anderen. Auch die Vorderbeine werden im Stand angehoben. Der Kreisläufer bewegt sich dagegen im Stall und Auslauf monoton auf gleichen Zirkeln oder Wegen.



Dr.agr. Dr.agr. habil.
Ines von Butler-Wemken

ist Expertin für für den Bereich Vererbung/Genetik im wittelsbuerger.com-Expertenforum.

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Haltungsfehler und Trauma

Eine umfangreiche Praxis-Studie an der ETH Zürich ergab, dass nicht artgerechte Haltungsbedingungen eindeutig zu Verhaltensstörungen führen können. So war der Anteil verhaltensgestörter Pferde bei Einzelhaltung 2,5 mal höher als bei gemeinsamer Gruppenhaltung. Doppelt so hoch war auch der Anteil verhaltensgestörter Pferde, wenn sie ganz alleine in einem Stall gehalten wurden. Insgesamt haben von 2536 erfassten Pferden dort 89 Pferde die permanenten Verhaltensstörungen Koppen, Weben oder Boxenlaufen gezeigt. In mehreren Ländern wurden in den letzten Jahren eingehende Beobachtungen an betroffenen Pferden durchgeführt. Es zeigte sich, dass die Verhaltensstörungen Koppen und Weben in allen Altersstufen erstmals auftreten können und ihren Ursprung oft auch in einer außergewöhnlichen Situation haben. So sind Verhaltensstörungen bei Fohlen kurz nach dem Absetzen, bei älteren Pferden nach einem Stallwechsel und nach der Trennung von Stallgefährten, aber auch nach einer Krankheit, erstmals aufgefallen. Schlüsselereignisse mit einer besonderer Stress-Belastung, die beim Pferd zu einem gestörten Dauerverhalten führen können.

 Das Futter beachten

Länger andauernde Beobachtungen an Webern und Koppern ergaben, dass meist Erregung später dann ein direkter Auslöser ist. Das stereotype Verhalten wird bevorzugt ausgeführt, wenn im Stall oder Stallbereich Aktivitäten ablaufen oder an den Tieren etwas geschieht, wie Putzen oder Aufsatteln. Am Tag wurden bei Koppern im Mittel 33 Koppvorgänge pro Stunde und in der Nacht 8,8 Koppvorgänge pro Stunde registriert. Über achtzig Prozent aller Koppvorgänge folgten direkt einem äußeren Ereignis. Bei Webern haben die Wissenschaftler 400 bis 10.000 tägliche Ausschläge pro Pferd gezählt. Werden Spiegel im Stallbereich angebracht, dann stellen die Pferde das Weben nachhaltig ein, das haben Untersuchungen in England erstmals aufgezeigt. Für die Wissenschaftler an der Landwirtschaftsschule Lincolnshire ein Hinweis darauf, dass die Verhaltensstörung Weben auch durch Isolation und fehlenden ständigen Sichtkontakt zu Artgenossen entstehen kann. Fenster und Außenboxen mit geöffneter Obertür reduzierten in dieser Studie das Weben bei betroffenen Pferden dagegen nicht. An Koppern hat der Verhaltensforscher John Mc Greevy erstmals gezeigt, dass zuckerreiches Futter (Getreide) ein deutlicher Auslöser für das Krippensetzen sein kann. Zuckerhaltiges Futter setzt beim Pferd tatsächlich endogene Botenstoffe frei, welche nervöses Verhalten bei hierfür besonders empfindsamen Pferden vermehrt auslösen können. Ergänzende Fütterungsversuche mit verschiedenen Pferderassen in anderen Ländern unterstützen diese Beobachtung. Im Vergleich zur Heufütterung ist das Koppen kurz nach Verfütterung von zuckerhaltigem Futter (Getreide, Kraftfutter, Zucker) bei betroffenen Pferden hier um ein Mehrfaches erhöht. Andererseits lässt sich das Koppen durch eine Gabe von sogenannten Botenstoff-Blockern im Tierversuch vorübergehend auch ausschalten.

 Deutliche Rassenunterschiede

Weben und Koppen wird schon in der alten Pferdeliteratur beschrieben. Die Verhaltensstörungen werden heute in allen Reitpferderassen beobachtet. Studien haben auch gezeigt, dass Koppen, Kreiswandern und Weben nur selten nachgeahmt werden. Zeigen mehrere Pferde Verhaltensstörungen in einem Stall auf, so ist dies eher ein Hinweis auf ein nicht artgerechtes Haltungsverfahren. Insgesamt aber liegen bisher wenig Informationen vor. Eher ungern geben Pferdehalter hier Auskunft. Neuere Untersuchungen bestätigen die Rassenunterschiede sowie eine genetische Disposition für das gehäufte Auftreten von Verhaltensstörungen. Pferde haben offensichtlich eine unterschiedliche genetische Disposition um auf Stressfaktoren, auch auf Haltungs- und Fütterungsfehler zu reagieren. Arbeiten aus Cambridge zeigen auch, dass höher im Blut stehende Pferde bevorzugt mit überaktivem Bewegungsverhalten, andere Rassen (Kaltblut und Shetland Pony) aber auch mit besonderer Teilnahmslosigkeit auf permanenten Haltungsstress reagieren. Enge Inzucht (Linienzucht) wird ebenfalls mit erhöhter Stressanfälligkeit und ausgeprägten Verhaltensstörungen beim Pferd diskutiert.

 Kaum Heilung möglich

Verhaltensstörungen lassen sich mit optimierten Haltungsbedingungen zwar reduzieren, jedoch bei betroffenen Pferden meist nicht mehr vollständig ausschalten. Bei Webern und Kreiswanderern werden Gruppenhaltung und Weidegang, zumindest aber ein Boxengefährte und erhöhte Rauhfuttergaben empfohlen. Beim Kopper werden schon über Jahrhunderte Kopperhalfter und Riemen eingesetzt. Sie fügen den Pferden Schmerzen beim Luftabschlucken zu. Doch diese Maßnahmen sind überhaupt nur dann angebracht, wenn das Koppen selbst zu massiven gesundheitlichen Schäden führt, was eher selten ist. Operative Eingriffe durchtrennen oder teilentfernen Hauptnerv oder Halsmuskulatur. Gut 80 Prozent der Aufsetzkopper und 60 Prozent der Freikopper koppen nach einer solchen Operation dann nicht mehr. Doch auch mit einer Operation wird hier nicht die Krankheit selbst, sondern nur ihre äußere Erscheinungsform eingestellt. Die moderne Verhaltensforschung zeigt deutlich, dass eine Verhaltensstörung, wie Weben und Koppen, beim betroffenen Pferd zu einem Erregungsabbau führt. Sie hilft dem kranken Tier durchaus besser auf ein Ereignis zu reagieren. So werden Maßnahmen, die nur die Ausführung einer Verhaltensstörung am Einzelpferd unterdrücken, aus Tierschutzgründen heute abgelehnt. Hier ist es auch falsch, von Untugenden des Pferdes zu sprechen, gilt es doch vor allem  für den Menschen den gesamten Haltungsbereich pferdegerechter anzupassen, Stressfaktoren mehr zu beachten und auch bewusst zu vermeiden.




Fragen? Die 20 wittelsbuerger.com-Experten helfen gerne weiter,
z.B. Dr. Ines von Butler-Wemken für den Bereich Vererbung/Genetik.
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QuelleInes von Butler-Wemken

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