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Was ist Embryotransfer?
Der Embryotransfer (ET) ist eine Reproduktionstechnik,
bei der von einer Spenderstute ein Embryo entnommen und einer anderen Stute eingesetzt
wird. Mit der Entnahme des Embryos lassen sich außerdem verschiedene andere Techniken
verbinden, beispielsweise die Konservierung durch Einfrieren des Embryos (zur
späteren Verwendung), das Klonen oder die In-vitro- Produktion (Erzeugung von
präimplantativen, transfertauglichen Embryonen unter Laborbedingungen). Hauptkriterien
des Embryotransfers sind allerdings andere Gründe.
Mit dieser Methode
kann man von einer leistungsfähigen Stute Nachkommen erzeugen, ohne dass sie aus
dem wettkampfmäßigen Sport ausscheiden muss. Weiter bietet sich das Verfahren
an, wenn bereits von zweijährigen Stuten Fohlen gezogen werden sollen. Die jungen
Pferde sind zwar bereits geschlechtsreif, sollen aber noch kein Fohlen austragen.
Auch bei alten Stuten, die aus Alters- oder Gesundheitsgründen keine Fohlen mehr
austragen sollen oder können, bietet sich der Embryotransfer an, um noch die Möglichkeit
zu haben, Fohlen von dieser Stute zu ziehen. Auch die Arterhaltung von bedrohten
Rassen ist ein Aspekt, bei dem man den Embryotransfer vor allem als Bevorratung
von Tiefkühlembryonen in Erwägung zieht.
Ein weiterer bedeutender Beweggrund
ist es, den Genpool des Muttertiers öfters nutzen zu können, denn nach einem Embryotransfer
kann die Stute bereits im nächsten Zyklus erneut gedeckt werden. Somit kann eine
Stute mehrere Nachkommen im Jahr bringen. Das Erbgut der Stuten gewinnt damit
eine größere Bedeutung für die Zucht, weil es öfter als bisher reproduzierbar
ist. Während auf natürlichem Wege eine Stute nur ein Fohlen im Jahr großziehen
kann, sind bislang drei bis vier Embryotransfers und somit Fohlen pro Jahr und
Stute realistisch. Bei weiterer Verbesserung der Methoden sind auch mehrere Nachzuchten
im Jahr denkbar.
Das Verfahren des Embryotransfers hat natürlich auch
Nachteile. Für den kommerziellen Züchter ist beispielsweise der Kostenfaktor ein
wichtiger Aspekt. Insgesamt muss man mit einer Gesamtsumme von 5000,- Euro für
einen Embryotransfer rechnen. Aufgrund der Kosten rechnet sich diese Reproduktionsmethode
nur für überdurchschnittlich zu vermarktende Anpaarungen. Doch auch weitere Punkte
müssen berücksichtigt werden, um einen Embryotransfer überhaupt erfolgreich durchführen
zu können.
Spender- und Empfängerstute
Der Erfolg hängt
wesentlich von der Auswahl der Spender- und Empfängerstute, aber auch der Qualität
des Hengstsamens ab. Neben den züchterischen Aspekten der Spenderstute muss auch
die Gesundheit der Stute in die Auswahl einbezogen werden. Die Eierstocks- und
Gebärmutterfunktion sollte nicht beeinträchtigt sein.
Bei Stuten, die
aufgrund von Veränderungen in der Gebärmutter nicht mehr in der Lage sind, ein
Fohlen auszutragen, kann der Embryotransfer die einzige Möglichkeit darstellen,
aus dieser Stute noch ein Fohlen zu ziehen. Allerdings ist die Erfolgsrate bei
diesen weiblichen Pferden erheblich geringer als bei klinisch gesunden Stuten.
Auch wenn sich die Gene der Empfängerstute nicht in das Erbgut des Fohlens einschleichen
können, muss auch die Leihmutter sorgfältig ausgewählt werden. Vor allem muss
die Zyklussynchronisation von Spender- und Empfängerstute gegeben sein. Die Bereitsstellung
einer zyklussynchronen Empfängerstute ist oft mit erheblichem Aufwand verbunden.
Es sollten möglichst zwei oder drei in Frage kommende Empfängerstuten bereitstehen.
Diesem Problem kann man auch gegensteuern, indem man den Embryo nach der Ausspülung
aus der Spenderstute so lange einfriert, bis eine passende Empfängerstute zur
Verfügung steht. Der Erfolg dieser Technologie hängt von den verwendeten Gefrierschutzmitteln
und dem Ausdünnungsverfahren beim Auftauen des Embryos ab. Da die Pferde-Embryonen
während der frühen Entwicklungsphase eine Kapsel bilden, werden die Tiefgefriertechniken
im Vergleich zu anderen Tierarten deutlich erschwert. Bevorzugt wird deshalb trotzdem
der Transfer von frischen Embryonen in 98 Prozent der Fälle, wobei der Embryo
unmittelbar oder nach zeitlich begrenztem Transport (eine Stunde) in die Empfängerstute
eingesetzt wird. Nur zwei Prozent der entnommenen Embryos werden im Gefrierverfahren
für spätere Transfers aufgehoben. Die Rate ist so gering, weil dieses Verfahren
lange nicht so erfolgreich ist wie der frische Transfer..
Die Empfängerstute
sollte überdurchschnittliche Mutterstuteneigenschaften haben, wozu eine nachgewiesene
Fruchtbarkeit und eine hohe Milchleistung zu zählen sind. Weiter sollte die Empfängerstute
etwa die Größe der Spenderstute haben, denn Untersuchungen haben ergeben, dass
der Transfer von Embryonen auf kleinere Empfängerstuten auch kleinere und unterentwickelte
Fohlen zur Folge hat. In einer Studie hatten die Fohlen, die als leibliche Mütter
Vollblutstuten hatten, aber von Ponystuten ausgetragen wurden, etwa ein Geburtsgewicht
von 32 Kilogramm, während Vollblutembryonen, die auch wieder von Vollblutleihmüttern
ausgetragen wurden ein Geburtsgewicht von 55 Kilogramm hatten. Andersherum hatten
Embryonen von Ponystuten als leibliche Mütter ein Geburtsgewicht von 24 Kilogramm
wenn die Leihmütter ebenfalls Ponystuten waren, aber ein Geburtsgewicht von 37
Kilogramm, wenn die Ponyembryonen von Vollblutstuten ausgetragen wurden..
Der Einfl uss der Empfängerstuten ist trotz fehlenden Genmaterials im Erbgut also
dennoch gegeben. Da die Transferfohlen nach der Geburt bei ihren Leihmüttern bleiben,
haben diese auch weiteren Einfl uss auf die Entwicklung des Fohlens, insbesondere
durch die nach der Geburt stattfi ndenden Prägung, aber auch durch die Erziehung
durch die Leihmutter. Die Tragweite des Einfl usses der Leihmutter ist bei Weitem
noch nicht erforscht und lässt die Entwicklungsfrage Ist Embryotransfer die Zucht-
und Vermarktungschance der Zukunft? des Fohlens weiter offen.
Wie
geht der Embryonentransfer vonstatten?
Die Embryonengewinnungsrate
ist sehr stark abhängig vom Hengst und dessen Samenqualität. Auch die Art der
Besamung hat erheblichen Einfl uss auf die Gewinnungschancen eines Embryos. So
liegt die Embryonengewinnungsrate bei einer künstlichen Befruchtung mit Frischsamen
bei 70 bis 85 Prozent, bei gekühltem Samen bei 50 bis 60 Prozent und bei Tiefgefriersamen
bei 30 bis 65 Prozent.
Nach der Eizellenbefruchtung wird der Embryo nach
dem 6. bis 9. Tag nach der Ovulation (Eisprung) ausgespült. Die Gewinnungsrate
liegt bei 62 Prozent (6. Tag) bis 81 Prozent (9. Tag). Der Embryo kann durch zwei
verschiedene Verfahrung transferiert werden. Zum einen mit der erheblich aufwändigeren
chirurgischen Methode durch einen Flankenschnitt am stehenden Tier in Lokalanästhesie
oder mit der nicht-chirurgischen, transzervikalen Methode. Der Transfer in die
Empfängerstute sollte – wenn der Embryo nicht eingefroren wird – innerhalb von
60 Minuten durchgeführt werden.
Die Embyonengewinnung der chirurgischen
Methode liegen höher (70 bis 90 Prozent) als bei der nicht-chirurgischen Methode
(30 bis 60 Prozent), ist aber aufwändiger und kann aufgrund von Verwachsungen
und Narbenbildung nicht unbegrenzt häufi g durchgeführt werden. Aus diesem Grund
wird die nicht-chirurgische Methode in der Regel bevorzugt. Der Embryo wird ausgespült,
mit Hilfe eines Mikroskops ausgemacht und isoliert. Ähnlich wie bei einer künstlichen
Befruchtung wird der Embryo (der mit dem bloßen Auge in diesem Entwicklungsstadium
am 6. Tag noch nicht sichtbar ist, aber bereits aus acht und mehr Zellen besteht)
der Leihmutter eingesetzt. Ab etwa dem 8. Tag ist der Embryo etwa einen Millimeter
groß, so dass dieser dann auch schon mit bloßem Auge sichtbar wird.
Liegt die Zukunft im Eisschrank?
Die Methode des Embryotransfers gewinnt
sicherlich auch in Deutschland zukünftig mehr Popularität, insbesondere wenn Züchter
gute Stuten besser vermarkten wollen. Trotzdem können die Züchter die Rechnung
nicht ohne den Wirt machen. Die Zuchtverbände müssen dieser Methode aufgeschlossen
gegenüber stehen. Die Frage der Ausbeutung von Stuten über den Embryotransfer
sollte man nicht von der Hand weisen. Außerdem gibt es Bedenken bezüglich der
genetischen Verarmung, wenn die Anpaarung von a) Modehengsten und b) populären
Stuten übermäßig oft reproduziert wird. Bislang herrscht berechtigte Skepsis bei
den Zuchtverbänden. Manche erkennen nur ein Fohlen pro Jahr und Stute aus Embryotransferprogrammen
an, darunter auch die American Quarter Horse Association und der Appaloosa Horse
Club. Andere Verbände wie die Tennessee Walking Horse Breeders´ and Exhibitors´
Association oder die American Shire Horse Association haben keine jährlichen Obergrenzen.
Da der Embryotransfer in Deutschland erst selten durchgeführt wird, gibt es seitens
der Verbände noch keine Reglementierungen. Sicherlich müssen sie sich über kurz
oder lang mit diesem Thema auseinandersetzen und Stellung beziehen, ebenso wie
die Züchter und natürlich Käufer von Pferden – oder Embryonen..
Mit Blick
in die Zukunft könnten möglichst viele Embryonen von erfolgreichen Stuten eingefroren
werden und diese im noch embryonalen Zustand verkauft werden. Der Kunde kann dann
seine „Traumanpaarung“ von einer genetisch gesehen „x-beliebigen“ Stute austragen
lassen, zu welchem Zeitpunkt er immer möchte. Sogar die Geschlechtsbestimmung
ist technisch bereits möglich, so dass Embryonen als Stuten und Hengste getrennt
aufbewahrt und verkauft werden könnten. Ist dies die (gewollte) Pferdezucht und
-vermarktung der Zukunft? Der Weg führt bereits in diese Richtung, wenn man bedenkt,
dass allein in den USA im Jahr 2003 bereits 7400 und im Jahr 2004 mehr als 5500
Embryonentransfers – hauptsächlich bei Quarter Horses – durchgeführt wurden.
Quelle: Renate Ettl
für den EWU-westernreiter
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