Warendorf (fn-press).
Kein Einkommen aus Reit- und Voltigierunterricht, doch die Kosten
für die Versorgung der Schulpferde laufen weiter. Ein Drittel
der Reitschulen in Deutschland sieht seine Existenz aufgrund der
Corona-Pandemie gefährdet, denn die bisherigen Förderprogramme
reichen nicht aus. Vielfach steht die Abschaffung von Schulpferden
bevor oder sie erfolgt bereits. Doch wohin mit den Pferden? Ihnen
droht wohl der Verkauf. Um das zu verhindern sowie Politik und
Öffentlichkeit auf die Notlage der Reitschulen aufmerksam zu machen,
startet die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) die Social-Media-Aktion
#KEINSchulpferdweniger. Im Mittelpunkt der Aktion steht die Forderung
nach Kurzarbeitergeld für Schulpferde, die als Seelentröster,
Sportpartner und Lehrmeister die wichtigsten Mitarbeiter der Reitschulen
sind.
Seit Beginn der Corona-Pandemie setzt sich die FN dafür ein, dass
Reitunterricht und Turniere unter Infektionsschutzbedingungen
stattfinden dürfen und dass auch Vereine und Pferdebetriebe von
den staatlichen Finanzhilfen profitieren. In Deutschland gibt
es rund 65.000 Schulpferde und -ponys. Sie bilden das Fundament
des organisierten Pferdesports, sie machen Nachwuchsarbeit, Sportentwicklung
und generell den Pferdesport in Deutschland möglich. Doch all
das ist bedroht. Nach einem Jahr Pandemie liegen viele Reitschulen
im Sterben.
Finanzielle Notlage: Seit Monaten darf kein Reitunterricht
in Gruppen stattfinden, in manchen Bundesländern noch nicht einmal
Einzel-Unterricht. Den Vereinen und Betrieben, die Schulpferde
halten und deren Kerngeschäft der Reit- und Voltigierunterricht
ist, fehlen die Einnahmen, die sie für die Versorgung der Pferde
benötigen. Ein Pferd lässt sich nicht wie ein Ball für die Zeit
der Pandemie im Schrank verstauen. Es braucht Futter, Wasser,
Bewegung, den Hufschmied und manchmal auch einen Tierarzt. All
das kostet Geld. Immer wieder erreichen die FN Hilferufe von Betriebsleitern
und Vereinsvorsitzenden, die nicht mehr wissen, wie sie die Versorgung
ihrer Pferde ohne den Reitunterricht noch sicherstellen sollen.
Eine bundesweite FN-Umfrage, an der fast 3000 Reitschulen teilnahmen,
ergab, dass Förderprogramme und Wirtschaftshilfen nicht auf den
Pferdesport zugeschnitten sind, so dass die Vereine und Betriebe
zu oft ins Leere laufen mit ihren Anträgen auf Fördermittel. Deshalb
fordert die FN Kurzarbeitergeld vom Staat auch für vierbeinige
Mitarbeiter.
Wertvolle Mitarbeiter und Seelentröster: Kinder und Jugendliche
leiden psychisch besonders unter der Corona-Pandemie. Pferde können
für sie in dieser schwierigen Situation Seelentröster sein, Halt
und Wärme geben. In der Pandemie fehlt den jungen Menschen der
Kontakt zu Altersgenossen. Dem Vierbeiner können Kinder ihr Leid
klagen, mit ihm kuscheln und schmusen, ohne dass beim Kontakt
zum Tier die Gefahr einer Ansteckung mit dem Virus besteht. Pferde
sind als Psychologen, Sportpartner und Lehrmeister die wertvollsten
Mitarbeiter der Reitschulen. Sie geben ängstlichen, unerfahrenen
Schülern Vertrauen und Sicherheit, verzeihen auch mal Fehler und
lehren, wie es richtig geht. Solch erfahrene Pferde sind wahre
Schätze. In der Pandemie wird deren Arbeitskraft jedoch überflüssig,
wenn kein Reitunterricht stattfinden darf. Manch ein Kind stellt
sich wohl die traurige Frage: Wird mein Lieblingslehrer bald abgeschafft?
Reitunterricht ist möglich und nötig: Experten bestätigen,
dass das Infektionsrisiko beim Reitunterricht gering ist, da Abstands-
und Hygieneregeln hier besonders gut eingehalten werden können
– auch im Gruppenunterricht, denn mit und auf dem Pferd haben
die Reitschüler schon aus Sicherheitsgründen großen Abstand zueinander.
Zudem bewegen sich die Pferdesportler überwiegend draußen. Selbst
in der Reithalle herrschen – anders als in geschlossenen Sporthallen
– nahezu Außenbedingungen. Steht der Unterrichtsbetrieb still
oder darf nur einzeln im Freien stattfinden, ist das mit den Anforderungen
an das Tierwohl kaum vereinbar. Der Reitunterricht und damit die
regelmäßige Bewegung tragen zur Gesunderhaltung der Pferde bei.
In den Bundesländern, in denen kein Reitunterricht erlaubt ist,
soll das Konzept der „Notbewegung“ dem Tierschutzgesetz Rechnung
tragen. Doch gerade in den nasskalten Winter- und Frühlingsmonaten
sind nicht alle Reit- und Auslaufflächen nutzbar. Ausritte kommen
aufgrund des wenigen Tageslichts nur tagsüber infrage. Die Zeitfenster,
in denen Notbewegung stattfinden kann, sind kurz. Doch zu wenig
Bewegung kann zu Koliken und anderen gesundheitlichen Schäden
bei den Pferden führen und birgt eine Unfallgefahr. Die Wiederzulassung
des Reitunterrichts, auch in Gruppen, ist deshalb nicht nur eine
wirtschaftliche Notwendigkeit, sondern auch eine Frage des Tierwohls
und der Unfallverhütung.
Rettet die Schulpferde - jetzt! Gehen die Vereine und Betriebe
zu Grunde, betrifft das auch private Pferdehalter, die ihre Pferde
dort unterstellen und die Reithallen und -plätze nutzen. Eine
ganze Branche, deren Umsatz bei geschätzten 6,7 Milliarden Euro
liegt, ist bedroht, wenn das Fundament wegbricht. Die FN ruft
deshalb alle Pferdesportler dazu auf, sich an der Aktion „Kurzarbeitergeld
für Schulpferde“ zu beteiligen und auf die Not der Schulpferde
aufmerksam zu machen. Reitschulen und ihre Schüler können zum
Beispiel Fotos ihrer Schulpferde posten oder Videobotschaften
aufnehmen und veröffentlichen. Um die größtmögliche Aufmerksamkeit
zu generieren, sollten alle Beiträge zu diesem Thema um die Hashtags
#KEINSchulpferdweniger und #KurzarbeitergeldfürSchulpferde ergänzt
werden. Unter www.pferd-aktuell.de/schulpferderettung stehen in
einem "Social-Media-Kit" Materialien, wie Beispieltexte und Motive,
als Download zur Verfügung.
FN-Umfrage zur finanziellen Lage von Reitschulen zeichnet düsteres
Bild: Ein Drittel der Reitschulen fürchtet, den Lockdown nicht
zu überleben
Ein Drittel der Reitschulen
sieht seine Existenz durch den pandemiebedingten Lockdown gefährdet.
Dies ergab eine bundesweite Umfrage der Deutschen Reiterlichen
Vereinigung (FN) zur wirtschaftlichen Situation in den Vereinen
und Betrieben mit Schulpferden. Wie groß die Not ist, zeigt die
Resonanz auf die Umfrage: In Deutschland gibt es 6.100 Reitschulen
(3.700 Vereine, 2.400 Betriebe). Mit 2.926 Rückmeldungen hat nahezu
jede zweite Reitschule an der Umfrage teilgenommen, darunter 1.110
Vereine.
Die Folgen werden gravierend sein: Ohne Vereine und Betriebe mit
Schul- und Voltigierpferden fehlt der Zugang zum Pferd. Die Reitschulen
bilden das Fundament des organisierten Pferdesports, sie machen
Nachwuchsarbeit, Sportentwicklung und generell den Pferdesport
in Deutschland möglich. Schon seit Jahren übertrifft die Nachfrage
für Reitunterricht das Angebot. Die Wartelisten dürften in Zukunft
noch länger werden. Laut Umfrage sind für 1.100 Reitschulen die
wirtschaftlichen Folgen der Pandemie so gravierend, dass sie Schulpferde
abgeben werden müssen. Nach dem Lockdown wird es wahrscheinlich
5.400 Schul- und Voltigierpferde weniger für die pferdebegeisterten
Kinder und Jugendlichen geben. Ein für jede Reitschule großer
Verlust, denn Schulpferde sind vierbeinige Lehrer, Seelentröster,
Sportpartner und Mitarbeiter mit einer wertvollen Ausbildung und
Kompetenz, die sich nicht so leicht wiederbeschaffen lässt. Also
ein Verlust mit nachhaltiger Wirkung. „Wenn wir das auf alle Reitschulen
in Deutschland hochrechnen und es richtig schlimm kommt, werden
wir bis zu 11.000 Schulpferde- und ponys verlieren“, macht Thomas
Ungruhe, Leiter der FN-Abteilung Vereine, Umwelt, Breitensport
und Betriebe, die Dimension noch einmal deutlich.
Die Ursachen: Kein Unterricht, keine Einnahmen, kein Kurzarbeitergeld
für Schulpferde. Die Kosten für die vierbeinigen Mitarbeiter laufen
aber weiter. Zwar gibt es diverse Förderprogramme, die 82 Prozent
der befragten Reitschulen (2.382) auch bekannt sind. Aber nur
44 Prozent (1.282) aller Umfrageteilnehmer hat Unterstützung aus
den Corona-Hilfsprogrammen beantragt, 56 Prozent (1.622) der Reitschulen
also nicht. Hauptgrund: Die Förderkriterien passen nicht. Also
die Reitschulen erfüllen nicht die Antragsberechtigung. Das sagen
1.135 bzw. 70 Prozent der 1.622 Nicht-Antragsteller. Zu komplizierte
Anträge verhindern bei 15 Prozent die Antragstellung. Das erklärt
auch, warum 10 Prozent sagen, dass sie es noch nicht geschafft
haben, den Antrag zu stellen.
Die jüngste Verlängerung des Lockdowns hat die Lage in den Reitschulen
nochmals verschärft. Um gegenüber der Politik den Ernst der Lage
in den Reitschulen mit Daten zu belegen und die Freigabe für Gruppenunterricht
unter Hygienebedingungen zu erreichen und/oder passende Förderprogramme
aufzulegen, hat die FN kurzfristig mit dieser Online-Umfrage vom
16. bis 22. Februar die aktuelle Situation in den Reitschule nachweisbar
erfasst. In den Landesverbänden Rheinland und Westfalen fand diese
Umfrage mit identischen Fragen bereits im Januar statt. Die Umfrageergebnisse
aus diesen Landesverbänden sind in den Ergebnissen der bundesweiten
Befragung entsprechend berücksichtigt. Die vollständige Auswertung
der „Bundesweiten Befragung zur aktuellen Situation der Schul-
und Voltigierpferde“ kann als PDF-Dokument unter www.pferd-aktuell.de/schulpferderettung
heruntergeladen werden.